Mordreds Tales – Der Teufel
Der Sündenfall                           Kommentar   

Gott schuf die Erde, Pflanzen und Tier,
zum Schluss den Menschen am sechsten Tage.
„Esst nicht von diesem Baume hier“,
sprach er, „bedenket, was ich sage!
Denn wenn Ihr von diesem Baume esst,
müsst Ihr gewisslich sterben
und bringet über der Schöpfung Rest
Unglück und Verderben.“

Dies waren Vaters Worte
zum Menschen im Edengarten,
als der Mensch noch nicht zum irdischen Orte
verbannt war, verurteilt zum harten
Streit um das täglich‘ Überleben,
als jung der Mensch noch war
und nicht gefangen im Streben
nach neuem Wissen immerdar.

„Warum nur neidest Du ihnen Erkenntnis und Wissen,
Vater? Wovor ist Dir bange?“
Was kommen würde, hätte er ahnen müssen,
denn noch als ich ihn fragte, schlich die Schlange
nach dem Paradiese hin zur Frau,
die das leichtere Opfer bot,
und flüsterte ihr: „Ich weiß es genau:
Von diesem Baum erwartet Euch nicht der Tod.“

„Erkenntnis hält seine Frucht für Euch“,
tat die Schlange den Menschen kund,
„was gut, was böse ist erkennt Ihr gleich,
berührt des Baumes Frucht Euren Mund.
Habt keine Furcht vor des Schöpfers Lüge!
Ihr habt mein Wort, nichts wird Euch gescheh‘n.
Doch Ihr werdet gewahr des Gottes Intrige
und werdet wie er sein. Ich hab‘ es geseh’n.“

„Was denkst Du, Vater, wie lang kannst Du sie halten,
bevor die Menschen Einsicht gewinnen,
bevor sie selbst ihr Leben und die Welt zu gestalten
und ihren eigenen Weg zu gehen beginnen?“
Der Vater schwieg zu meiner Frage.
Er sah mich mit steinerner Miene nur an.
Doch trat in seinen Augen zutage
in ganzer Breite sein wirklicher Plan.

Der Mensch erlag der Schlange List.
Er aß von der Frucht und sah, er war nackt.
Er erkannt‘, dass die Schlange ein Diener nur ist,
doch nicht, mit wem sie hat geschlossen den Pakt.
Der Vater sprach: „Der Mensch ist wie wir.
Er erkennt jetzt, was gut ist, was böse.
Ob seiner Sünde muss er nun geh’n von hier,
muss beten, dass ich ihn erlöse.“

Mit Entsetzen sah ich den Vater an.
Ich wusste, er gab mir die Schuld.
Jetzt erst erkannt‘ ich den ganzen Plan,
den er sich erdacht mit Geduld.
Der Mensch wurd‘ nun in Sünde verbannt,
verflucht zu schmerzvollem Leben.
Die Sünde ward auch auf die Kinder genannt.
Nur wer blind dienet, dem würde vergeben.

Mir hingegen gab man die Schuld
für der Schlange List und Betrug.
Doch kommt meine Zeit, ich habe Geduld.
Ich ertrage die Schand‘ und den Lug,
dass ich das Böse auf Erden wär‘,
Verführer, Versucher, der Feind,
der die Menschen belügt mit böser Mär,
dessen Saat in der Dunkelheit keimt.

Denn ich weiß, dass der Mensch gut und böse begreift,
dass er Wahrheit und Lüge durchschaut.
Ich weiß, dass auch meine Saat einmal reift
und dem Vater davor graut.
Längst schon denken die Menschen selbst für sich nach,
längst fassen sie eigenen Mut.
Allmählich werden die Menschen wach.
Der Baum der Erkenntnis war gut.