Mordreds Tales – Der Teufel
Der Sturz                           Kommentar   

Am Anbeginn war nur das Wort.
Dann kamen Himmel und Erde,
auf dass es gebe einen Ort,
an dem das Wort gehöret werde.

Kinder schuf der Vater sich –
die Engel erst, den Menschen dann.
Doch sah er uns als Erste nicht.
Dies war, wie der Streit begann.


Dem Menschen sollen die Engel dienen,
doch dünkte einigen von ihnen,
sie würden über den Jüngeren steh‘n.
So traten sie vor den Vater hin,
eröffneten ihm ihren Sinn.
Sie hofften, er würde sie versteh’n.

„Sieh, Vater, aus Feuer bin ich gemacht“,
sprach stolz Samael in seiner Pracht,
„aus Lehm schufst Du den Menschen nur.
Mein Feuer erst macht Lehm zu Stein,
nur so wird er von Dauer sein.
Ohn‘ mich bleibt von ihm keine Spur.“

Der Engel Stimmen fielen ein:
„Der Mensch sollt‘ unser Diener sein!
Nicht folgen woll’n wir seinem Wort!“
Der Vater sprach: „Ich bind‘ Euch nicht.
Nicht halten soll Euch mein Gericht.
Wer will, verlasse diesen Ort.

Den Mensch schuf ich nach meinem Bild.
Drum soll, wem Treue zu mir gilt,
dem Menschen sein ein Freund.
Doch gab ich auch Euch den freien Geist.
Wer den Menschen nicht willkommen heißt,
sei zumindest nicht sein Feind.“

Stolz übermannte Samael.
Aus seinem Stolz macht‘ er kein Hehl
und erhob sich gegen Gott.
Ich suchte Schlichtung in dem Streit,
Einklang, Friede, Einigkeit,
doch begegnete mir nur Spott.

„Du weißt, Vater, wir lieben Dich.
Doch leiden wir die Dienste nicht,
die Du von uns verlangst.
Stell uns nur den Menschen gleich!
Nimm uns auch auf in Dein Reich!
Gib uns Liebe, nimm die Angst!“

Mein Erster Bruder lachte nur.
Von Bruderliebe keine Spur
hat er die Gunst der Stund‘ erkannt.
Von Zorn erfüllt zog er sein Schwert,
die Kling‘ von Flammen war bewehrt,
rief: „Für Euren Frevel seid verbannt!

Gesetz sei Euch des Vaters Wort,
sonst jage man Euch Frevler fort!“
Er schwang sein Schwert nach mir.
„Michael, Bruder, halte ein!
Vater hilf! Dies darf nicht sein!
Deine Kinder sind auch wir!

Halt auf, oh Vater, Deinen Sohn!
Soll dies sein meiner Liebe Lohn?
Erhöre, oh Gott, mein Flehen!
Du weißt, er ist der Stärkere nicht,
doch blind vor Zorn sieht er dies nicht.
Willst Du ihn sterben sehen?“

Des Bruders Schwert fuhr auf mich herab.
Mit Mühe nur entging ich ihm knapp,
tat alles, dass er mich verfehle.
Ich fing sein Schwert auf, Streich um Streich.
Michael wurde ängstlich bleich,
als mein Schwert saß an seiner Kehle.

„GENUG!“, war Vaters Stimme zu hören.
„NIEMAND SOLL UNS‘REN FRIEDEN STÖREN.
AUCH DU MEIN SOHN LUCIFER NICHT!
UM MICHAELS WILLEN ERHÖR‘ ICH DEIN FLEHEN.
AUF DASS ER NICHT STERBE, LASS ICH DICH GEHEN,
ENTBINDE DICH DEINER PFLICHT.

DOCH WER AUFBEGEHRTE, SEI VERBANNT.
DER VON EUCH, DER SAMAEL GENANNT,
SOLL IN DIE UNTERWELTEN FAHREN!
DU LUCIFER MAGST AUF ERDEN WANDELN,
SOLLST STETS IN MEINEM SINNE HANDELN,
DANN MAGST VERGEBUNG DU ERFAHREN.“


Ich sollte dienen nur auf Erden.
Dem Menschen nicht, doch auch nicht mir.
Ein Knecht des Vaters sollt ich werden,
ein Diener nur der Großen Vier.

Es war für Michaels Leben nur,
dass mich der Vater gehen ließ.
Von Liebe und Mitleid war keine Spur,
als er vom Himmel mich verstieß.

Nie wollt‘ ich ihm auf Erden dienen.
Stattdessen beherrsche ich die Hölle.
Bin der Fürst der Dämonen, der Herr der Fliegen,
der Versuchung sprudelnde Quelle.

Doch die, die tragen an der Verbannung Schuld,
die straf‘ ich auf Schritt und Tritt.
Sie suchen des Himmels Licht voll Ungeduld,
doch dieses Licht hab nur ich, ich nahm es mit.