Mordreds Tales – Der Teufel
Weiße Nacht

Die Menschen saßen in sonn’ger Nacht
am Flusse bei Speis‘, Weib und Trank.
Sie feierten vom Abend bis nachts ohn‘ Bedacht,
weil heute die Sonne nicht sank.

Ich sah am Wasser eine blonde Maid
mit kirschrot schimmerndem Mund.
Im Licht glänzte ihr weißes Kleid,
ihr Glas war leer bis auf den Grund.

Ich setzte mich leis‘ neben ihr hin,
lächelte in ihr Gesicht.
„Ich hoffe“, sprach ich mit frohem Sinn,
„Euch stört meine Gesellschaft nicht.“

„Mitnichten“, sprach sie, „junger Herr,
Ihr seid mir wohl willkommen.
Doch seid so gut, sagt mir doch wer
bei mir hat Platz genommen?

Und seid gewarnt, nehmt Euch in acht!
Bei mir lebt Ihr gefährlich.
Mein Vater ist von großer Macht.
Ein Mensch ist ihm entbehrlich.“

„Mephistopheles bin ich“,
eröffnete ich ihr.
„Und Macht hat Euer Vater nicht,
vergleicht Ihr ihn mit mir.“

Die junge Dame glaubt‘ mir nicht.
Wer sollt‘ mächt’ger als ihr Vater sein?
Ich löschte um sie herum das Licht.
Von nun an war sie mein.

„Mein Herr, ich unterwerf mich Euch.
Ich bitt‘ Euch, lehrt mich diese Kraft,
die doch, wie mich wahrlich deucht,
Licht nicht nur nimmt sondern auch schafft.“

Sie nahm mich zu sich, glühte heiß,
voll Leidenschaft und Lust.
Wie Perlen glänzte funkelnd weiß
der Schweiß auf ihrer Brust.

Lippen wie die Erdbeer’n rot
riefen leis‘ nach mir.
Wahrlich wie ein kleiner Tod
umgab mich ihre Gier.

Ich öffnete die Tür zum Geh’n,
doch war der Weg versperrt.
Ich sah ihr’n Vater im Ausgang steh’n
das Gesicht vor Zorn verzerrt.

„Du Dirne, Hure, übles Weib!
An welcher Hure üblen Sohn
verschenkst Deinen Leib
meiner Sorg‘ zum Lohn?

Erzog ich Dich Dein Leben lang
zu Keuschheit nicht und reinem Herzen?
Ist es nun für mich Dein Dank,
dass Kummer Du gibst mir und Schmerzen?“

Er bebte vor gerechter Wut.
Der Teufel hole mich,
rief er des Mannes Mut,
der kennt nicht mein Gesicht.

Ich blickte auf die Maid zurück,
durch die Stille tönt ein Knall.
Grad wähnte sie sich voller Glück,
jetzt sah ich ihren Fall.

Ihr Bett verfärbt‘ vom Blut sich rot,
die Wangen wurden bleich.
Schon holte sie Gevatter Tod
in sein dunkles Reich.

Ich sah zum Vater, hob die Hand,
seine Augen wurden weit.
Ich schob in langsam an die Wand,
zeigte ihm mein wahres Kleid.

„Wie wagst Du es, Du elend‘ Wicht,
Deinem Kind den Tod zu geben?
Geh hin und sieh ihr ins Gesicht,
das grad noch war voll Leben.

Eine Dirne nennst Du sie?
Du warst in Deiner Jugend
und auch im Mannesalter nie
die Ausgeburt der Tugend.

Du trankst, Du hurtest, stahlst und logst,
wolltest Mädchen stets nachjagen,
hast Deine Frau, die Du betrogst
im Drogenrausch erschlagen.

Nun stehst Du da vor Furcht ganz starr,
bist ängstlich und entsetzt.
Allmählich wird Dir endlich klar:
Mir gehörst Du jetzt!“

So griff ich seine Seele mir,
ich ließ ihm keine Wahl.
Ging in die Hölle, mein Revier,
zu seiner ew’gen Qual.