Mordreds Tales – Der Teufel
Satan - Der Ankläger

Es trat dereinst ein Mann vor Gott,
zu empfangen sein Gericht.
War für das Böse voller Spott
und stolz, wie gut man für ihn spricht.
An des Vaters Seite sah er mich steh’n
mit lächelndem Gesicht.
Sein Lachen wollt’ ihm gleich vergeh’n,
aus seinem Geiste wich das Licht.

„Der Höllenfürst“, so rief er laut,
„Oh weh, der Herr der Dunkelheit!
Was tut hier der, vor dem es graut
der ganzen Welt der Christenheit?
Was tat ich, dass er mich holen will,
wähnte ich doch meine Seele rein?“
Ich lachte leis’ und er war still.
„Dein Ankläger will ich sein.

Ich stehe hier vor Gottes Thron,
zu lesen Deine Sünden
und schließlich Deine Straf’ und Lohn
als Urteil zu verkünden.“
Die Wangen bleich trat er zurück,
fragt’, welch Sünde da wohl wäre,
hatte er doch nur im Blick
des Vaters Ruhm und Ehre.

„Wohlan, Du lebtest in der Tat
stets nach des Herrn Geboten.
Warst freundlich, halfst, gabst guten Rat
und ehrtest selbst die Toten.
Für Gott auch zogst Du in den Krieg,
zerschmettertest die Mauren.
Dem Herrn widmetest Du den Sieg.
Nahmst Kindern ihre Väter, die Gatten ihren Frauen.

Wo immer Hilfe nötig war,
sah man Dich redlich schindern.
Du sorgtest Tag und Nacht sogar
für Nachbar Witwe mit den Kindern.“
Des Mannes Miene hellte sich.
„Fürwahr, so sollt’ man leben,
mit guter Tat vor dies Gericht,
vor Gottes Thron sich dann begeben.“

„Hast so viel Gutes Du getan?“,
fragte ich ihn leise.
„Hast Männer erschlagen im Gotteswahn,
machtest Witwen, machtest Waisen.
Halfst hier, halfst da, halfst jedermann.
Hast überall gegeben.
Vergaßt Dein Weib gar irgendwann.
Drum nahm sie sich ihr Leben.“

Zu Boden sah voll Trauer er.
„Was gäb’ ich für meine Anne.
Was tät’ ich, käm ich eher her
zu jener dunklen Tanne,
an der sich erhängt hat mein liebes Weib.
Ach könnte ich sie doch retten.
Doch konnte ich nur ihren Leib
zur letzten Ruhe betten.

Und da sie sich selbst das Leben nahm,
muss sie jetzt auf ewig leiden.
Musste sie doch zur Hölle fahr’n.
Doch den Weg will ich meiden.“
Der Vater lächelt, hob seine Hand,
ein Tor ging auf einen Spalt.
Der Mann war froh, hatte er erkannt
hinterm Tor seines Weibes Gestalt.

Grad wollt’ er hingeh’n, doch schloss sich das Tor,
er konnte nicht hindurch.
Die Pforte ging zu, der Mann stand davor,
in seinem Gesicht plötzlich Furcht.
Der Vater sah ihn an voller Grimm,
mein Lachen erschallte im Saal.
Ich spürte ganz klar in des Mannes Sinn
und Geist eine endlose Qual.

„Geh, Du bist frei. Es ist nicht Deine Zeit“,
sprach ich mit Lachen in sein Gesicht.
„Eines Tages ist es soweit.
Bis dahin vergiss dies hier nicht.
Du wirst auf Erden wandeln noch lang,
bis Deine Zeit ist gekommen.
Und denke an meiner Worte Klang:
Was Du liebtest, hast Du selbst Dir genommen.“