Mordreds Tales – Der Teufel
Verführung

Die Sonn‘ küsst‘ rot den Horizont,
da Maria aus der Kirchen kam
in der der Pfarrer wie gewohnt
des Volkes Sünden entgegennahm.
Nur wenig hatte stets zu bekennen
des Landsherren frommes, sittsames Weib,
doch glaubte sie stets, in der Höll‘ würd‘ sie brennen
durch ihren schönen, liebreizenden Leib.

Am Wasser stand, als Maria ging heim,
gar seltsam erscheinend in schwarz ein Herr.
Einen Schatten nur sah sie in der Sonn‘ rotem Schein,
auch als sie ihm näher kam erblickt‘ sie nicht mehr.
Am Ufer des Flusses in langem Mantel er stand
und sah dem Abendrot entgegen,
gab dem Sonnenball, als dieser verschwand,
still mit der Hand seinen Segen.

Mit dunklem Bass, als sie hinter ihm war,
sprach zu Marien der Mann:
„Ist dies Schauspiel nicht wunderbar?
Allabendlich zieht’s mich in Bann,
wenn des Tages Licht sich im Flusse versteckt,
für die Nacht sich zum Schlafe begibt,
die Dunkelheit über die Welt sanft sich deckt,
sie beschützt, in den Schlaf sanft sie wiegt.“
Die Dame blieb steh’n. „In der Tat“, murmelt‘ sie,
„ist dies ein Schauspiel ohnegleichen.“
Der Herr dreht‘ sich um, blickt‘ erstaunt auf Marie,
doch sie floh, wollte seinem Blick weichen,
der sie durchbohrt‘ mit unheimlichem Licht
und ihr tiefstes Inneres kannte.
Vor sich selbst erschrak sie, vor dem Herren nicht,
dessen Blick die ach so Sittsame bannte
und nie mehr freizulassen schien.
Unsittlich dünkten Maria ihre Gedanken.
Sie sah zu Gott hinauf und bat ihn
um Hilfe, in ihrem Glauben nicht zu wanken.

Die Wochen und Monate gingen ins Land,
bunt erschien im herbstlich Laub die Welt,
da traf Maria einen Herrn, der ihr schien bekannt,
die dunkle Gestalt von der Sonne erhellt,
dem Tageslichte Abschied gebend,
einsam wartend in der Stille
und doch in vollen Züge lebend.
Wind weht’ durch seine Haaresfülle,
eisesblaue Augen strahlten,
wie zwei neugebor’ne Sterne,
die kindlich bunte Bilder malten,
sein Lächeln spendete seltsame Wärme.
Maria trat zögernd auf ihn zu,
im Dämmerlichte stand sie schweigend
und genoss die abendlich’ Ruh,
als der Tag sich seinem Ende neigend
ein letztes Lichtesblitzen ihr schenkte.

„Ein majestätisch Schauspiel ist’s fürwahr.
Niemand, dessen Blick zum Horizont nicht lenkte
dieser Moment, der die Nacht gebar,
ist mir je auf meinem Weg begegnet“,
gleich einem Engel der Herr schließlich sprach.
„Außer vielleicht, wenn in Strömen es regnet,
sich der Himmel versteckt überm Wolkendach.
Dann“, so fuhr er laut lachend fort,
„suchen die Menschen in der Tat
lieber einen trockenen Ort.“
„Wenngleich lang es nicht geregnet hat“,
erwiderte die schöne Maid.
„Der Sommer dieses Jahr’s sich zeigte
in seinem allerschönsten Kleid,
selbst als er sich zum Herbst hinneigte.
Doch will der Wahrheit ich die Ehre geben,
wie der Herrgott uns doch spricht,
ich sah in meinem ganzen Leben
nie ein so wunderschönes Licht,
wie hier in Eurer Gegenwart.“
Erinnerung sie nun beschlich.
Mit Wehmut und Begehr gepaart
Maria nun erinnert’ sich
endlich eines Sommertags,
an dessen End’ den Herrn sie sah.
‚Was tu’ ich?’, dachte sie und wagt’s,
dem Herrn in die Augen doch zu schauen,
die sterngleich leuchtend hell erstrahlend,
hitzig glühend, eisesblauen,
sündig Phantasien ihr malend,
gefangen hielten ihren Blick.
„Verzeiht, doch leider muss ich gehen“,
sprach der Herr, „doch wär’s mein Glück,
könnte ich Euch wiedersehen“.
So flüstert er zum Abschied leis’,
und küsste vornehm ihre Hand,
ein schüchtern Lächeln war sein Preis.
Maria war von ihm gebannt
und hoffte inniglich, geheim,
voll Sehnsucht lodernd, neu zu treffen diesen Herrn,
dacht’ fromm an ihren Mann daheim,
doch wäre sie nur allzu gern
mit dem Fremden fortgegangen,
denn seit jeher fühlte sie
sich in ihrem Heim gefangen,
wahre Liebe kannt’ sie nie.

Zu Boden fiel des Herbstes bunt,
die Nächte wurde lang,
als Maria herzenswund
und um Kind und Gatten bang
den Priester suchte, zu bekennen,
welche Sünd‘ sie hatt‘ begangen,
die sie fühlt’ auf ihrer Seele brennen,
um inn’ren Frieden zu erlangen.
Doch wie sie dem Gotteshaus sich nahte,
vom Regen des Novembers nass,
der jede Sonnenwärm’ versagte,
überschwemmte jedes Regenfass,
sah sie auf einem schwarzen Schimmel
einen wohlbekannten Herrn,
der blickte hoch zum düst’ren Himmel,
als hielte es den Regen fern,
wenn lang genug er finster blickte
auf der Wolken dunkles Grau.
Dann senkte er den Kopf und nickte.
Kaum tat er’s, ward der Himmel blau.

Lächelnd sprach der Fremde: „Besser
ist’s, wenn es doch trocken sei.
Alle Welt wird nass und nässer,
doch scheint’s dem Vater einerlei,
dass Ihr friert in des Herbstes Regen,
dass durchnässt ist Euer Kleid.“
„Fürwahr, die Sonne ist ein Segen“,
sprach Marie und lächelt’ breit.
„Ohn’ Unterlass regnet’s drei Wochen
Kein Strahl Licht erwärmte mich.
Die Kälte drang mir in die Knochen,
verschont’ auch meinen Gatten nicht,
wie auch meinen armen Sohn.“
Ihr Lächeln starb, wie es erschienen.
„Sollt’ er leben, würd’ als Lohn
ich Gott mein restlich Leben dienen.
Für meinen Gatten hoff’ ich wenig,
doch würd’ ich für des Sohnes Leben
nicht zaudernd Christ, dem Weltenkönig,
alles, was ich habe geben.“
Traurig wand’ sie ab den Blick,
sprach: „Doch verzeiht mein werter Herr,
zwar war Euch zu treffen mir ein Glück,
Euch zu verlassen bedaur’ ich sehr,
doch bin zum Gebet ich hergekommen.
Drum muss ich nunmehr von Euch geh’n.“
Sie tat noch einen Knicks beklommen.
„Lasst mich nach Eurem Kinde seh’n“,
sprach der junge Herr geschwind,
„studiert’ ich doch des Heilens Kunst.
Lasst mich helfen, Dame, Eurem Kind,
gewährt mir diese Gunst.“
Maria sprang das Herz vor Freud’.
Hatte Gott ihr Fleh’n erhört?
Hatte Er, der bisher nur schweigen wollt’,
sich doch ihr wieder zugekehrt?

Sein Wort hielt ein der fremde Herr.
Noch bevor die Sonne endet’ ihren Lauf
und versankt im dunklen, stillen Meer,
schlug Mariens Sohn die Augen auf.
Doch zu ihrem Ehemanne kam
im letzten Glanz des Abendrot
der Schnitter. Aus dem Lärm vom Hof vernahm
Maria von ihres hohen Gatten Tod.

Allein nun saß des Landsherrn Witwe
nähte ihren Trauerflor,
verzierte ihn mit schwarzer Spitz,
als Lachen drang an ihr Ohr.
Der fremde Herr trat ein vom Hofe,
lächelnd, die Schritte federleicht.
Verschämt folgt’ ihm Marias Zofe,
zuerst errötet, bald drauf erbleicht.
Maria ahnte, was geschehen,
ein Lächeln zierte ihr Gesicht.
„Mein Wort, dass ich nichts hab’ gesehen.
So lang Du nicht vergisst die Pflicht,
die Du mir hast zu erfüllen.
Von Euch, Herr, erwart’ ich Diskretion.
Wollt Ihr von alldem nichts enthüllen,
dann sei mein Segen Euer Lohn.“
Ein Kichern schüttelte die Magd.
„Geh nun zu Bett“, sprach ihre Herrin leis.
„Setzt Euch zu mir , junger Herr, und sagt,
was Ihr verlangt von mir als Preis“,
fuhr fort sie, als die Magd gegangen,
„für meines lieben Sohnes Leben.“
Der Fremde sah sie an und sprach:“ Verlangen
will ich nur, was bereitwillig gegeben.
Ich half Euch einzig um den Jungen.
Ich giere nicht nach Geld und Ehr’.
Niemand hat mich je gedungen,
als ob ein Söldnersmann ich wär.
Wägt selbst ab, Herrin, welcher Lohn
Euch recht dünkt, mir zu geben.
Mich deucht‘ als falsch nur, wär der Sohn
an Vaters Statt nicht mehr am Leben.
Nur deshalb tat ich, was ich tat.“
Maria senkte still ihr Haupt,
hielt mit sich selbst inneren Rat.
Nie hätt‘ sie von sich selbst geglaubt,
was im Begriff sie war, zu tun,
doch konnt‘ sie schon seit ein’ger Zeit
nicht mehr in Frieden ruh’n,
wenn in Gedanken sie bei dem Fremden weilt‘.

Schließlich, als zu nächt’ger Stunde
droben hoch am Himmelszelt
stand der volle Mond, der runde,
taucht‘ in silbrig Licht die Welt,
gab sie ihrem Sehnen nach,
schlich auf Katzensohlen leis‘
in des Herren Schlafgemach,
flüsterte: „Ich sei der Preis.
Ich schwor, für meines Sohnes Leben
gäb ich alles, was ich geben kann.
Drum will ich Euch mich nun hingeben.
Nehmt mich, Herr! Seid mein Meister, seid mein Mann.“
Es grinst‘ der junge Herr verschlagen,
als das Kleid zu Boden glitt,
das Maria hatt‘ getragen.
Unwissend lächelt‘ Maria mit,
nicht erkennend Ihres Gegenübers Gier,
solche in seinen Augen blinkt.
Er beugt‘ sich über Maria wie ein Tier,
als sie in seine Laken sinkt.
Sie bliebt bei ihm die ganze Nacht,
sie liebt‘ ihn, als wär sie ganz von Sinnen.
Erst der Morgen hatt‘ ihr Schlaf gebracht
bei ihm im weißen Linnen.

Als sie erwachte spät am Morgen,
folgten ihr blicke überall.
Was sie tat, blieb nicht verborgen,
jeder sprach von Mariens Fall.
Den Landsherr’n bracht‘ man zu seiner Gruft,
um ihm die letzte Ruhe zu bringen.
Unheilschwanger war die Luft.
Zum Toten ging, mit schwarzen Schwingen
und verschlag’nem Lächeln der junge Herr.
Marias Herz blieb steh’n und sie erschrak,
als letztlich sie erkannte, wer
es war, bei dem Desnachts sie lag.
An der Bahre der dunkle Engel stand,
von flammendem Inferno war er umhüllt.
Des Toten Seele hielt er in seiner Hand,
sprach: „Meine Aufgabe hier ist nun erfüllt.
Doch Du, Maria, bist auserkoren,
mir zu schenken meinen dunklen Sohn.
Ich nehm‘ Dich zu mir, wenn er ist geboren.“
Er lachte noch einmal und flog davon.