Lord Mordreds Kommentar:
Hintergedanken:

Wer hat eigentlich die Zeit erfunden? Ich meine genau das seltsame, manchmal künstlich erscheinende Konstrukt, das wir benutzen, um unseren Lebensablauf zu regeln und das uns bisweilen arg unter Druck setzt. In einer modernen apokryphen Schrift könnte vielleicht folgendes stehen:

„Am Anfang schuf Gott den Tag und die Nacht. Und er sah, dass es gut war. Nachdem die Menschen aus dem Garten Eden vertrieben wurden und sie begannen, sich die Frucht des Feldes nutzbar zu machen, kamen sie wieder und wieder zu spät, um zu ernten und die Frucht ward verdorben und die Menschen litten Hunger. Der Menschen Leid blieb nicht ungesehen und so brachte einer den Menschen die Zeit, auf dass sie zum rechten Augenblicke zur Ernte kämen. Und mit der Zeit brachte er den Menschen die Erkenntnis der Endlichkeit und der Kürze ihres Leben. Der Mensch wiederum, der die Kürze seines Lebens erkannte, begann, die Zeit einzuteilen und zu messen, um in der ihm gegebenen Lebenszeit viel zu schaffen. Und so traten Hektik und Terminpläne in das Leben der Menschen und der Teufel sah, dass es gut war.“

Die subjektive Relativität der Zeit - ein Phänomen, das nur wir Menschen selbst schaffen konnten. Wir haben angefangen, die Zeit nicht einfach nur hinzunehmen. Wir richten unser ganzes Leben nach der Zeit, müssen viele Dinge in einem bestimmten zeitlichen Rahmen erledigen, setzen uns unter Druck, um selbst mit den Dingen rechtzeitig fertig zu sein, die keinerlei Fertigstellungstermin haben.

Jemand (im Zyklus also der Teufel) gab uns die Zeit. Sie wurde uns guten Willens und guten Glaubens zum Geschenk gemacht. Die Menschen wiederum schufen Minuten, Stunden, Tage, Monate. Sie gaben ihnen Namen, damit sie die Augenblicke voneinander unterscheiden, sie kategorisieren, katalogisieren und einordnen können.

Der Mustang, der stolz durch die Prärie galoppiert, kennt keine Zeit. Er kennt Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Aber er kennt nicht ihre Namen. Er bemerkt, dass es wärmer oder kälter wird, dass Regen fällt oder dieses seltsame weiße Zeug. Wir Menschen nennen es Schnee, der Mustang kennt keinen Namen dafür. Er weiß auch nicht, dass April ist. Oder November. Es wird wieder wärmer, denkt er. Er freut sich darüber, genießt die Wärme und damit hat es sich. Dass es Sommer wird, interessiert ihn nicht. Auch nicht, dass es in 5 Monaten und 8 Tagen wieder kühler wird und dass wir Menschen dies dann Herbst nennen. Der Mustang lebt zeitlos. Und er ist glücklich und zufrieden damit.

Es sind ausschließlich wir Menschen, die die Zeit wahrnehmen. Und wir habe verlernt, wie angenehm es ist, die messbare Zeit einmal zu ignorieren und die Dinge einfach nur zu erledigen. Davon werden wir krank. Es gibt wohl nur einen, der ein solch zweischneidiges Geschenk machen kann.

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